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25.05.2021 // ESB

Interview mit Dr. Raffaela Zillner: Der österreichische Onlinewett- und Glücksspielmarkt

Die Österreichische Vereinigung für Wetten und Glücksspiel (OVWG) ist die inländische Interessenvertretung von online tätigen Glücksspiel- und Sportwettanbietern. Die Vereinigung versteht sich als Schnittstelle zwischen Politik, Behörden und Unternehmen und ist bestrebt, den Dialog zwischen den Parteien zu verbessern und ein Bewusstsein für die Branche zu schaffen. Aus regulatorischer Sicht strebt die OVWG eine moderne, unionsrechts- und marktkonforme Regulierung des Online-Glücksspiel- und Wettbereichs in Österreich an.

Welche Bedeutung haben die Onlinewett- und Glücksspielanbieter für den Sport in Österreich?

Der österreichische Sport und die Online-Glücksspiel- und Wettbranche sind seit jeher wichtige Wirtschaftspartner. Jährlich werden 100 Millionen Euro an Sponsoring und Marketing in die österreichische Sport- und Medienlandschaft investiert. Diese Investitionen könnten noch weiter gesteigert werden: Letztes Jahr haben wir einen Vorschlag für die Einführung eines zeitgemäßen Online-Glücksspiel-Lizenzsystems gemacht, bei dem zusätzliche Einnahmen, wie etwaige Lizenzgebühren, für den Breiten- und Spitzensport zweckgewidmet werden. Die bisherige Sportförderung wäre davon nicht betroffen und auch der durch COVID-19 ohnehin schon stark strapazierte Staatshaushalt wird nicht weiter belastet. Wir schätzen, dass durch ein solches Modell bis zu 50 Millionen Euro Mehreinnahmen für den heimischen Spitzen- und Breitensport generiert werden könnten.
 

Wie ist die aktuelle Gesetzeslage bezüglich Onlinewetten und -Glücksspiel in Österreich?

Kurz zusammengefasst: Veraltet. Beim (Online-)Glücksspiel ist Österreich eines der letzten Länder in Europa, das noch ein Monopol im Glücksspielbereich hat. An dieser Stelle muss man aber auch erklären, dass wir, wenn wir über das österreichische Glücksspielmonopol sprechen, schon lange nicht mehr von einem staatlichen Monopol, sondern von einem Monopol eines mehrheitlich privaten Unternehmens sprechen. Das österreichische Glücksspielmonopol ist mittlerweile im 60%-igen Mehrheitsbesitz der tschechischen Sazka-Gruppe. Wir sind davon überzeugt, dass Monopole aus der Zeit gefallen sind und Österreich daher dem europäischen Trend folgen sollte und das Monopol durch ein zeitgemäßes Lizenzsystem ersetzen sollte. Wetten haben in Österreich die Besonderheit, dass sie auf Landesebene geregelt sind; das gilt sowohl für den stationären als auch für den Online-Bereich. Auch das halten wir in einem kleinen Land wie Österreich für nicht zeitgemäß und fordern eine bundesweit einheitliche Lösung für die Regulierung der Sportwette.
 

Es wird nun angedacht eine eigene Glücksspielbehörde einzurichten. Zudem sind bei den aktuell geplanten Veränderungen auch Netzsperren angedacht. Was würde dies für eure Mitglieder bedeuten?

Ende Februar wurde im Ministerrat eine Glücksspielreform angekündigt. Diese enthält, neben begrüßenswerten Änderungen wie z.B. der Schaffung einer unabhängigen Glücksspielbehörde und der Verbesserung des Spielerschutzes, die Ankündigung von Netzsperren gegen Online-Glücksspiel-Anbieter. Durch die geplanten Netzsperren sollen seriöse, in der EU-lizenzierte Unternehmen vom österreichischen Markt ausgeschlossen werden. Dazu muss zunächst einmal festgehalten werden, dass Netzsperren faktisch wirkungslos sind, weil sie selbst von Technik-Laien mit wenigen Klicks umgangen werden können. Abgesehen davon ist es aber auch lebensfremd anzunehmen, dass alle Spieler zu win2day – dem dann einzig verbleibenden Anbieter – wechseln würden. Vielmehr wird die Nachfrage nach einem differenzierten Angebot weiterhin bestehen bleiben und so werden Anbieter aus Asien und der Karibik auf den Markt drängen. Diese agieren außerhalb der Behördensichtbarkeit und können entsprechend auch nicht geblockt werden. Zudem erfüllen diese weder Spielerschutz- noch Anti-Geldwäsche- oder Datenschutzstandards und zahlen keine Steuern in Österreich. Die geplanten Netzsperren hätten also lediglich den Effekt, dass seriöse Anbieter, die bereits Lizenzen aus anderen EU-Mitgliedstaaten haben, wie bet-at-home, Interwetten, bwin, Unibet, MrGreen und viele mehr, vom Markt verdrängt werden und Spieler in den Schwarzmarkt getrieben werden. Es ist daher dringend notwendig, dass die Regierung ihr Vorhaben noch einmal überdenkt und die angekündigte Glücksspielreform als Anlass nutzt ein Lizenzsystem einzuführen, statt an einem veralteten und durch Rechtsunsicherheit geprägten Monopol festzuhalten, das zudem mehrheitlich in tschechischer Hand ist und den ursprünglichen Sinn und Zweck keinesfalls mehr gerecht wird.
 

Welche Forderungen hat die OVWG an die österreichische Politik?

Glücksspiel bedeutet Verantwortung. Dem sind wir uns bewusst und deshalb ist uns auch völlig klar, dass es dafür einen strengen regulatorischen Rahmen braucht. Dieser muss aber transparent und fair sein und alle Anbieter am Markt gleichbehandeln. Konkret fordern wir ein Lizenzmodell, bei dem die Lizenzen nicht mengenmäßig begrenzt, sondern an die Einhaltung qualitativer Standards geknüpft sind. Jeder Anbieter, der die hohen inhaltlichen Hürden überspringen kann, sollte eine Lizenz bekommen. Alles andere hätte immer einen willkürlichen und intransparenten Beigeschmack: Denn was rechtfertigt, dass es genau 5, 10, 15 oder 20 Lizenzen gibt? In Dänemark ist es mit diesem System gelungen, dass über 90% der Spieler bei in Dänemark-lizenzierten Anbietern spielen. Das wünschen wir uns auch für Österreich. In Österreich nutzen gerade mal 30% das Online-Angebot des Monopolisten.
 

Welche Best Practice Beispiele können hier Vorbild für Österreich sein?

In zahlreichen EU-Ländern ist es bereits gelungen, einen zeitgemäßen Rechtsrahmen für den Online-Bereich zu schaffen und damit der Marktentwicklung und der fortschreitenden Digitalisierung Rechnung zu tragen. Dänemark hat dabei eine europäische Vorreiterrolle eingenommen, indem es ein Lizenzierungssystem ohne zahlenmäßige Beschränkung der Lizenzen und mit strengen Auflagen hinsichtlich Verbraucher-, Daten- und Jugendschutz eingeführt hat. Die Behörde veröffentlicht Compliance-Richtlinien, arbeitet einerseits eng mit den lizenzierten Glücksspielanbietern zusammen, kontrolliert diese aber auch streng. Bereits ein Jahr nach der Marktöffnung 2012 schätzte die Behörde den Anteil der nicht lizenzierten Anbieter auf lediglich unter 5 Prozent. Ähnlich verhält es sich in Großbritannien, das seinen Schwarzmarkt mit einer zukunftsorientierten Marktöffnung ganz ohne Netzsperren in den Griff bekommen hat. Neben Dänemark haben auch die meisten anderen EU-Länder in den letzten Jahren ihre Online-Monopole abgeschafft. Auf der oben angeführten Landkarte ist gut ersichtlich, dass die meisten EU-Mitgliedstaaten bereits zu Lizenzmodellen übergegangen sind.
 

Wie profitieren hier der Sport und der Staat?

Aus unserer Sicht würde die Einführung eines Lizenzmodells in Österreich zu einer WIN-WIN-Situation für alle führen: Garantierte Steuereinnahmen und umfassende Aufsicht für den Staat, hohe Spielerschutzstandards für Kunden und Rechtssicherheit für verantwortungsvolle Anbieter.
 

Welche Rolle müssen Sportvereine- und verbände in der aktuellen Diskussion aus eurer Sicht spielen?

Wir haben in unseren Gesprächen mit Entscheidungsträgern oft den Eindruck, dass vielen nicht klar ist, wie wichtig die finanziellen Beiträge der Glücksspiel- und Wettbranche für den österreichischen Spitzen- und Breitensport sind. Gelingt es, das aufzuzeigen und darzulegen, dass es ohne diese Gelder schwierig wird, hätten wir schon viel erreicht.

Kontakt

Österreichische Vereinigung für Wetten und Glücksspiel (OVWG)
Dr. Raffaela Zillner, LL.M., Generalsekräterin
Website: www.ovwg.at
E-Mail: info@ovwg.at